Schreibers Schwierigkeiten mit den Stolpersteinen
von Klaus-Rüdiger Mai
Gelegentlich meint man, dass genug Aufklärung über den Holocaust, über die Ermordung von über 6 Millionen Menschen geleistet wurde und es eine einstimmige Verurteilung dieser Verbrechen gibt. Insofern sollte die Verlegung eines Stolpersteines in Würde beschlossen werden. Wer aber hier Hindernisse in den Weg legt, indem er geradezu mit Haarspaltereien aufwartet, derer sich eigentlich nur Winkeladvokaten bedienen, hat wohl ein Problem mit der Verlegung von Stolpersteinen. Zossens Bürgermeisterin Schreiber scheint dieses Problem zu haben. Sie fordert öffentlich in der SVV einen Nachweis, dass die jüdische Familie, „die entsprechenden Kriterien für die Verlegung eines Stolpersteines erfüllt.“ Schließlich muss „historisch alles seine Richtigkeit“ haben, „was passiert ist dort in der NS Zeit.“ Denn sie findet es wichtig, dass auch an die richtige Familie erinnert wird.“ Frau Schreiber verlangt also von Opfern des NS – Regimes einen Opfer-Nachweis. Nun hätte sie sich vor der SVV erkundigen können über die Leidensgeschichte von Werner Robert Dalen, der ermordet wurde, weil er Jude war. Aber es hatte sie allem Anschein nach nicht weiter interessiert. Mehr noch, es hatte sie so wenig interessiert, dass sie nicht einmal wusste, dass es bei der Verlegung dieses Stolpersteines um die Erinnerung an einen einzelnen Menschen und nicht um das Gedenken für eine Familie geht. Denn für den Nachweis, „das alles historisch seine Richtigkeit hat“, ist es natürlich völlig unerheblich, ob es sich um einen Menschen, um eine Familie, um mehrere Familien handelt. Frau Schreiber verweist gern darauf, dass sie ja einem jüdischen Bestattungsritual folgend Kieselsteine auf die Stolpersteine gelegt hätte. Das Problem ist nur, dass dieses Bestattungsritual nicht existiert. Es geht dabei auch nicht um Kieselsteine. Richtig ist, dass jüdische Familien – das hat aber nichts mit der Bestattung zu tun – zum Gedenken statt Blumen kleine Steine auf den Grabstein legen. Dieser Brauch leitet sich aus der Zeit des Exodus her.
Wenn sich die Bürgermeisterin sowenig für die Person desjenigen, der geehrt werden soll, interessiert und sie sich offensichtlich auch nicht mit dieser jüdischen Gedenkgeste auseinandergesetzt zu haben scheint, entsteht der Einruck, dass all dies nur pflichtgemäß absolviert wird. Aber Routine an einer Stelle, wo man nicht routiniert sein darf, im Gegenteil, wo man sich ehrlichen Herzens engagieren muss, ist ein Skandal. Wer in dieser wichtigen Angelegenheit sich hinter einer bürokratischen Sprache versteckt, und wir kennen diese technische Amtssprache, die immer benutzt wird, wenn etwas „richtig“ gemacht werden soll, hat ein Problem mit der Angelegenheit selbst. Wer sich nicht informiert, sondern einen Nachweis verlangt, dass es seine Richtigkeit mit der Ehrung hat, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er ein Problem mit der Ehrung an sich hat. Da helfen keine Kieselsteine. Auch die Rechtfertigung des Journalisten Hasselmann in der MAZ führen nicht weiter. Herr Hasselmann stellt zunächst und mit Absicht Frau Schreibers Kieselstein-Engagement dar. Um danach den Leser wissen zu lassen, dass es Kritiker gäbe, die es wagen, Frau Schreiber etwas „vorzuwerfen“ – wie garstig von den Kritikern -, die sich erdreisten zu „monieren“ und dann sogar noch „Anlass für Kritik“ sehen. Folgt man Hasselmanns Schreibperspektive, die sich klar aus dem unterstellenden Aufbau seines Artikels ergibt, gewinnt man den Eindruck, es mit notorischen Meckerer zu tun zu haben, die immer etwas auszusetzen haben. Natürlich hat die BI Zossen zeigt Gesicht etwas auszusetzen an der Art und Weise, wie Michaela Schreiber mit den Stolpersteinen umgeht, dass die Bürgermeisterin lieber Steine in den Weg legt, als dabei mitzuhelfen, Stolpersteine zu setzen. Von einem kritischen Journalisten hätte man diese Fragen erwarten dürfen. Und von der Bürgermeisterin ein Gefühl für die Würde des Gedenkens.