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Anziehungspunkt für Neonazis Rechtsextremismus in Zossen

Artikel in der taz vom 26.6.2010 von Dörthe Nath:

“Dort, wo das “Haus der Demokratie” stand, wächst längst Unkraut. Die Bürgerinitiative “Zossen zeigt Gesicht” hatte das Gebäude als Zentrum für ihren Kampf gegen Rechtsextremismus genutzt – bis am Abend des 22. Januar ein 16-Jähriger Feuer legte, um sich in der rechten Szene zu etablieren, wie er der Polizei gestand. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Potsdam Anklage gegen ihn und einen 15-jährigen Mittäter erhoben.

Damals war das ein Schock für den Sprecher der Bürgerinitiative, Jörg Wanke: “Ich hätte nie für möglich gehalten, dass sie sich das trauen, fast unter den Augen der Polizei.” Denn deren Wache ist gleich um die Ecke, genau wie Wankes Büro und das Rathaus der brandenburgischen Stadt. Aber so kurz die Wege auch sind, die Gräben zwischen den Zossenern sind tief. Durch den Brand wurde die Bürgerinitiative weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Die Akademie der Künste in Berlin sammelte auf einer Benefizveranstaltung über 5.000 Euro, und zu Festen der Initiative kommen mehrere hundert Zossener. Nur mit der Stadtverwaltung gibt es Streit. Bürgermeisterin Michaela Schreiber drückt es so aus: “Ich habe den Eindruck, dass für einige Mitglieder das Thema Rechtsextremismus nur Mittel zum Zweck für eine Auseinandersetzung mit mir ist.” Jörg Wanke weist das von sich und wirft ihr seinerseits vor, die Initiative im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht zu unterstützen – was die Bürgermeisterin wiederum bestreitet.

Für Gideon Botsch, Rechtsextremismusforscher in Potsdam, ist der Zwist weit mehr als eine lokalpolitische Streiterei: nämlich ein Grund dafür, dass Zossen zu einer Art Anziehungspunkt für Neonazis geworden ist. “Wir haben hier eine Situation, in der – anders als sonst in Brandenburg – von offizieller Seite nicht hinreichend deutlich gemacht wird, dass Zossen eine Gemeinde ist, die solche Tendenzen nicht will”, sagt er. Bürgermeisterin Schreiber sieht das anders: “Die Stadtverwaltung tut das im ordnungsbehördlichen Sinne Mögliche.” Mit ihrer freien Liste “Plan B” gehört sie zum konservativen Lager der Stadtverordnetenversammlung, das zwar anfangs noch in der Bürgerinitiative mitarbeitete, sich dann aber distanzierte. Schreiber stuft einige der Mitglieder als linksextrem ein, und nach ihrer Kritik an der Initiative gefragt, sagt sie: “Was seit Monaten stattfindet, ist eine steigende Gewaltspirale zwischen Rechts- und Linksextremisten.”

Absurd findet die Initiative solche Vorwürfe. Etwa 40 Personen haben sich seit eineinhalb Jahren zu “Zossen zeigt Gesicht” zusammengefunden. Überparteilich, wie Sprecher Wanke betont, wie auch, dass von der Initiative keine Gewalt ausgehe. Gerade hat die Bundesregierung sie für ihre Zivilcourage ausgezeichnet. Der 44-jährige Versicherungsmakler Wanke gehört keiner Partei an. Immer wieder sind er und die anderen Mitglieder bedroht worden. An Wankes Büro hatte jemand “Volksverräter” gesprüht, kurz danach stand auf einer Mauer “Wanke stirbt bald” und “Zossen bleibt braun”. Feuerwerkskörper zerstörten eine Fensterscheibe in seinem Büro.

“Zossen ist ein Brennpunkt”, sagt Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. Seit etwa zwei Jahren treten Rechtsextreme dort offen auf. Etwa 70 Personen rechnet der Verfassungsschutz zur rechten Szene in der Region. Gegen drei von ihnen ermittelt das Landeskriminalamt auch im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf das Haus der Demokratie weiter. Sie sollen die Jugendlichen angestiftet und die Tat später nicht angezeigt haben.

Die mutmaßlichen Drahtzieher werden den “Freien Kräften Teltow-Fläming” zugerechnet: Neonazis, die zum größten Teil nicht in einer Partei organisiert sind und ein Gemisch rechtsextremer Ideologie vertreten, wie Rautenberg sagt. Seit einigen Monaten nennen sie sich “Nationale Sozialisten Zossen”.

Die Bürgerinitiative hat mittlerweile ein neues Haus der Demokratie, das Nachbarhaus von Wankes Büro. Zur Verfügung gestellt hat es der Landkreis, der SPD-Landrat arbeitet selbst mit in der Initiative. Es ist massiver als das alte, die Fenster im Erdgeschoss sind vergittert und gleich gegenüber ist die Feuerwehr.”

Wir bitten um Ihre Meinung!

Endlich Strafverfolgung der Täter!

Fünf Monate nach dem Brand des Hauses der Demokratie hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Täter aus der rechtsextremistischen  Szene erhoben. War am Anfang nur von einem Täter die Rede, erfahren wir nun, dass es noch zwei jungendliche Täter in der Brandnacht im Haus waren, um den Brand zu legen. Im Hintergrund agierte Daniel T. , der zu der Tat angestiftet haben soll. Es handelt sich um eine geplante Tat von einer ganzen Gruppe gewaltbereiter Täter aus der rechten Szene!

Das selbst der Ermittlungsdruck der Polizei in den Wochen nach dem Brand nicht zu einer Abnahme der rechtsextremistischen Straftaten geführt hat, zeigt unsere Dokumentation weiter unten.

Antifaschistisches Aktionswochenende – friedlich, bunt und erfolgreich

Das „Antifaschistische Wochenende“ ist vorbei und war für die beteiligten Gruppen ein Erfolg. Es machte zugleich einige z.T. Besorgnis erregende Entwicklungen in Zossen deutlich:

  1. Die von der Stadtverwaltung erwarteten gewalttätigen Auseinandersetzungen fanden nicht statt. Es gab keine zerbrochenen Scheiben, keine Schmierereien, auch keine brennenden Autos und kaum Verkehrsbehinderungen. Stattdessen freundliche, besonnene und verständnisvolle Demonstranten und Polizisten.
  2. Leider fielen nicht nur Gewerbetreibende auf die Panikmache herein und machten ihre Geschäfte dicht. Manch ein Zossener fürchtete wahrscheinlich Straßenkämpfe und hielt sich abseits. Insofern kamen die Aktionen der Stadtverwaltung den Rechtsextremisten sehr gelegen.
  3. Die sogenannten „Nationalen Sozialisten Zossen“ bestätigten erstmals die Identität und Adresse eines Mitgliedes der rechtsextremen Szene. Unter Bezug auf die Berichterstattung in der Presse heißt es auf der Internetpräsenz der „Nationalen Sozialisten Zossen“: „Einmal mehr wurde der vollständige Name mit samt der Anschrift eines Aktivisten veröffentlicht.“ Dieser fotografierte aus dem ersten Stock der Berliner Straße 3, direkt über der Postagentur, die Teilnehmer der Demonstration, um sie wie es in der Presse heißt, „‘erkennungsdienstlich‘ zu behandeln“.

Das Grundstück Berliner Straße 3 ist der Ort der ersten nachgewiesenen jüdischen Wohnstätte in Zossen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gehörte das Grundstück dem jüdischen Händler Wolf Israel. Bis zu den gewaltsamen Ereignissen der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 und der anschließenden Schließung des Geschäfts befand sich an diesem Ort das Kaufhaus des jüdischen Textilhändlers Viktor Cohen. In den Räumen, aus denen dieser laut Verkündung seiner Mitstreiter dort wohnende Rechtsextremist die Demonstration fotografierte, lebte Viktor Cohen mit seiner Familie.

Die Berliner Straße 3 – ein Symbol für die aktuellen Zossener Zustände. Man darf gespannt sein, was der private Eigentümer des Hauses, die Zossener Bürger, ihre gewählten Vertreter und die Stadtverwaltung gegen diese Zustände unternehmen werden!

Bilder:

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Am 16.06.10 um 22:15 Uhr kommt im rbb ein Bericht zum Thema Gewässerprivatisierung!!!!