Erste Hilfe gegen Nazis – das Handbuch zum Rechtsextremismus

buchgegennazis

Holger Kulick und Toralf Staud haben „Das Buch gegen Nazis. Rechtsextremismus – was man wissen muss und wie man sich wehren kann“ geschrieben. Sie vermitteln darin kompaktes Wissen und geben praktische Tipps. Das Nachschlagewerk stellt beispielhafte Initiativen vor und empfiehlt Ansprechpartner für Ratsuchende.

Die Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ hat Holger Kulick eingeladen. Der Autor stellt am Montag, dem 15. November 2010, um 19 Uhr im Zossener E-Werk sein Handbuch zum Rechtsextremismus vor, dass 2009 bei Kiepenheuer und Witsch erschienen ist und 2010 überarbeitet wurde. Interessierte sind herzlich eingeladen, der Eintritt ist frei.

Immer mehr Menschen fragen: Was tun? Wie kann man friedlich und kreativ gegen Rechtsextreme und Rassisten vorgehen – sei es als Nachbar, im Sportverein, in der Schule oder am Arbeitsplatz? Und was ist Rechtsextremismus überhaupt? Soll man mit Nazis eigentlich diskutieren? Woran erkenne ich sie? Wie soll man auf Drohungen von Rechtsextremisten reagieren? Was tue ich, wenn meine beste Freundin plötzlich NPD wählt? Hilft ein Verbot der Partei? Und sind Sitz­blockaden bei Neonazi-Demonstrationen eigentlich strafbar?

Das Buch gegen Nazis“ vermittelt kompaktes Wissen und gibt praktische Tipps. Es stellt beispielhafte Initiativen vor und empfiehlt Ansprechpartner für Ratsuchende. Ein Anhang mit zahlreichen Fotos erklärt die Erkennungszeichen der Nazis von heute.

Holger Kulick, geboren 1960 in Korbach, studierte Politik, Geschichte und Kulturwissenschaften in Mainz und Berlin und ist seit Mitte der achtziger Jahre Fernseh-, Online- und Printjournalist. Als Fernsehjournalist arbeitete Holger Kulick von 1983 bis 2001 vor allem für politische Magazine, Kulturmagazine und Jugendsendungen von ARD und ZDF. Anschließend war er Korrespondent für spiegel online in Berlin. Seit 2005 ist er Redaktionsleiter von www.mut-gegen-rechte-gewalt.de. Seit 2006 zeichnet er außerdem mitverantwortlich für die Monatsschwerpunkte der Web-Rubrik Rechtsextremismus der Bundeszentrale für politische Bildung. Holger Kulick ist Herausgeber des Taschenbuchs Mut-Abc für Zivilcourage, das im Mai 2008 erschien. 2007 wurde er für das Internetportal www.mut-gegen-rechte-gewalt.de mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet.

Brief des Ministers für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie Günter Baaske

Liebe Mitglieder der Bürgerinitiative “Zossen zeigt Gesicht”,
zu lhrer Auszeichnung mit einem Preis im diesjährigen bundesweiten Wettbewerb
“Aktiv für Demokratie und Toleranz” gratuliere ich Ihnen herzlich. Ich freue
mich sehr, dass damit ihr bürgerschaftliches Engagement gegen Gewalt,
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit eine so öffentlichkeitswirksame
Würdigung erf ährt.
Ihre noch junge Bürgerinitiative entstand als Reaktion auf die Aktivitäten rechtsextremer
Gruppierungen in der Zossener Region. Sie schauten nicht weg, als
Neonazis öffentliche Gedenkveranstaltungen massiv störten und zeigten mit der
Gründung ihres Bündnisses entschlossen und mutig Gesicht. Ihr Ziel ist es, über
die antidemokratischen Umtriebe der rechte Volksverhetzer aufzuklären und
dem Rechtsextremismus kreativen Widerstand Paroli zu bieten.

Mit dem ” Haus der Demokratie” schufen Sie in kurzer Zeit eine Begegnungsstätte, in der generationsübergreifend  Aufklärungs-  und Bildungsarbeit geleistet wird. Doch lhre ehrenamtliche Arbeit ist ständigen Bedrohungen durch rechte

Gruppen ausgesetzt. Dies gipfelte in dem feigen Brandanschlag, der im Januar 2010 das “Haus der Demokratie” völlig zerstörte. Doch Sie geben nicht auf und sind mit der Solidarität zahlreicher  Unterstützer und  neuer Mitglieder dabei, ein neues “Haus der Demokratie” einzurichten.
Ich danke Ihnen aufrichtig für Ihren Mut mit dem Sie sich dem Rechtsextremismus, der Fremdenfeindlichkeit und der Gewalt entgegen stemmen. Auch dank Ihres Einsatzes bleibt unsere Demokratie lebendig und erhält wichtige Impulse für eine
zukunftsfähige Gesellschaft, in der jeder ohne Angst leben kann.

Ich wünsche dem Bündnis “Zossen zeigt Gesicht” weiterhin viel Erfolg.

Günter Baaske

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Studie zum Rechtsextremismus: In der Mitte der Gesellschaft

sarrazin
von Gudrun Giese – 13.10.2010
Rechtsextreme Einstellungen werden in Deutschland hoffähig. Zu diesem Ergebnis kommt die Friedrich-Ebert-Stiftung in einer aktuellen Studie. Wegbereiter sind vor allem Vorbehalte gegenüber Ausländern und Migranten.

„Besorgniserregend“ und „beunruhigend“, das waren die häufig benutzten Vokabeln bei der Vorstellung der von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie „Die Mitte in der Krise – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ am heutigen Mittwoch in Berlin. Und das, was Professor Elmar Brähler von der Universität Leipzig und Dr. Oliver Decker von der Universität Siegen mit anderen Autorinnen und Autoren in ihrer repräsentativen Untersuchung über Einstellungen der Bundesbürger zu Demokratie, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und die bestehende politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung herausgefunden haben, ist in der Tat ausgesprochen beunruhigend.

Besonders hohe Zustimmung erfuhren in der Untersuchung Fragen, die den Themenkreis Ausländerfeindlichkeit angehen: So stimmten 34,3 Prozent der Befragten dem Satz zu, dass Menschen anderer Herkunft nur hier lebten, um den deutschen Sozialstaat auszunutzen. 35,6 Prozent sahen die Bundesrepublik durch die hier lebenden Ausländer als extrem überfremdet an. Oliver Decker bezeichnete in seiner Kurzeinführung in die Studie gerade den Bereich der Ausländerfeindlichkeit als „Einstiegsdroge in den Rechtsextremismus“.

Starke Befürwortung einer Diktatur

Denn rechtsextreme Einstellungen sind längst – der Titel der Studie legt es nahe – in der Mitte der Gesellschaft angekommen. 24 Prozent der repräsentativ Befragten befürworten eine starke Partei, immerhin noch 13,2 Prozent eine Führerpersönlichkeit und 8,8 Prozent eine rechtsautoritäre Diktatur. In nahezu allen abgefragten Themenbereichen stieg bei dieser insgesamt fünften Befragung die Zustimmung zu Aussagen, die die Themenkreise diktatorische Regierungsform, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus sowie Verharmlosung des Nationalsozialismus berührten.

Für solche massenhaften Einstellungsveränderungen gibt es Gründe, und die Autoren ermittelten auch in diesem Teil ihrer Untersuchung besorgniserregende Entwicklungen: 94 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten keinen Einfluss auf die Regierungspolitik, 90,4 Prozent erkannten keinen Sinn im persönlichen politischen Engagement. „Es ist eine starke soziale und politische Deprivation zu erkennen“, erklärte Oliver Deckert. Im Zusammenhang mit der starken Befürwortung einer Diktatur gebe das stark zu denken, da sich in der Korrelation der erhobenen Daten deutliche Defizite im Demokratieverständnis offenbarten.

Mit Bildungsgerechtigkeit den Trend stoppen

Generell findet zwar die „Idee der Demokratie“ hohe Zustimmung (93,2 Prozent), ihre konkrete Umsetzung in der Bundesrepublik jedoch bewerten nur 46,1 Prozent als positiv. „Es fehlt an einer Vorstellung von persönlichen Partizipationsmöglichkeiten“, so Decker.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Steffen-Claudio Lemme knüpfte hier an und betonte, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus zugleich verbunden sein müsse mit einem Kampf für die Demokratie. „Wenn nun Bundesfamilienministerin Kristina Schröder die Projekte gegen Rechtsextremismus auch noch teilweise unter den Verdacht des Linksextremismus stellt, schwächt sie die erfolgreichen Ansätze zur Stärkung der Zivilgesellschaft.“

Generell sei zu bedenken, dass das, was die demokratische Gesellschaft bedrohe, aus dieser selbst entsprungen sei. Ungleiche Einkommensverteilung, Bildungsunterschiede, drohende Altersarmut hätten ihren Anteil an den Einstellungen zum politischen System, zur Demokratie oder zu Ausländern.

Negativbild der Demokratie

„Viele Jugendliche wachsen heute mit einem Negativbild von Demokratie auf“, stellte der SPD-Politiker fest und plädierte insbesondere für Bildungsgerechtigkeit, um diesen Trend zu stoppen. Immerhin hatte die Befragung auch zu Tage gefördert, dass junge, gebildete Frauen am wenigsten anfällig für rechtsextreme und autoritäre Einstellungen sind.

In der anschließenden, von der taz-Redakteurin Astrid Geisler moderierten Diskussion sollte vor allem die Rechtsextremismusbekämpfung im Mittelpunkt stehen. Doch zeigte sich schnell, dass die aktuellen Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene die Handlungsspielräume gegen Rechts nicht gerade erhöht haben. Der DGB-Bundesvorsitzende Michael Sommer plädierte angesichts der schleichenden Integration rechter Positionen in den gesellschaftlichen Mainstream für eine umfassende Wertedebatte.

„Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass wir längst keine Integrations-, sondern eine Ausgrenzungsdebatte führen!“ Es gäbe eine erschreckende Demokratieverachtung auch unter Führungskräften in Großkonzernen, und die Kritik an Migranten sei längst konsensfähig geworden. In dieser Situation sei eine Diskussion über Grundwerte und Demokratie überfällig.

Gewöhnung an alltäglichen Rassismus

Sehr plastisch setzte sich Heike Kleffner von der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste mit dem Thema auseinander. Sie schilderte drei aktuelle Beispiele rechtsextrem motivierter Gewalttaten, die in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen worden seien. Es gebe eine erschreckende Gewöhnung an alltäglichen Rassismus. Sie forderte die SPD auf, sich an dieser Stelle noch stärker einzusetzen, was wiederum Steffen-Claudio Lemme positiv beantwortete. Er rief zu einer Demokratieoffensive auf, die die SPD mit Zukunftswerkstätten anschieben wolle.

Dass trotz des aktuellen Gegenwinds beim Engagement gegen Rechts noch erfolgreiche Projekte umgesetzt werden können, zeigten die Schilderungen Klaus Staecks, des Präsidenten der Akademie der Künste Berlin. Die Kunstwelten im brandenburgischen Fürstenwalde hätten dabei ebenso Anstöße für die Demokratie geliefert wie eine Solidaritätsaktion in Zossen, wo Rechtsextremisten im März einen Brandanschlag auf das Haus der Demokratie verübt hatten.

Nicht zuletzt liefert auch die vorgestellte Studie neben den Daten und ihrer Interpretation Ansätze zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion über Demokratie und Wertesystem.

Der Text erscheint mit freundlicher Genehmigung des “Blick nach Rechts“.